Weihnachten steht vor der Tür – und damit der alljährliche Eindruck, dass die Zeit immer schneller vergeht. Hast Du auch dieses Gefühl? In Teil 1 der Weihnachtsserie des In-Mind Blogs erfährst du, warum das so sein könnte

Lebkuchen und Spekulatius sind längst in den Supermarktregalen, die ersten Lichterketten schmücken die Nachbarschaften und auf den Marktplätzen werden die Buden für den Weihnachtsmarkt aufgebaut. Es ist wieder so weit: Weihnachten steht vor der Tür. Und jedes Jahr scheint es, als wäre das immer schneller der Fall. Geht es dir auch so?
Falls ja, bist du damit nicht allein. Eine Studie mit 789 britischen Teilnehmenden ergab, dass 76 % der Befragten dem Eindruck zustimmten, dass Weihnachten jedes Jahr schneller kommt (Ogden et al., 2024). Kalendarisch betrachtet ist das natürlich nicht der Fall, da stets 364 Tage zwischen zwei Heiligabenden liegen (oder 365 bei Schaltjahren). Aber warum kommt es vielen so vor, als verginge die Zeit zwischen den Festen immer schneller?
In ihrer Studie untersuchten Ruth Ogden und Kolleg:innen (2024) mögliche Gründe für dieses Phänomen. In der Vorweihnachtszeit füllten die Teilnehmenden Fragebögen zu verschiedenen psychologischen Aspekten aus. Zunächst gaben sie an, wie sehr sie der Aussage zustimmten, dass Weihnachten jedes Jahr schneller komme. Zudem beantworteten sie Fragen dazu, wie gerne sie Weihnachten feierten und wie sie ihre Lebensqualität in verschiedenen Bereichen einschätzten. Schließlich schätzten sie ein, wie häufig sie über das Vergehen der Zeit nachdachten und wie oft ihnen im Alltag „prospektive Gedächtnisfehler“ unterliefen – also, wenn man beabsichtigt, etwas in der Zukunft zu tun, es aber dann vergisst.
Die Ergebnisse zeigen, dass der Eindruck, Weihnachten käme jedes Jahr schneller, stärker ausgeprägt war, wenn die Freude auf Weihnachten größer war. Positive Emotionen tragen oft dazu bei, dass uns die Zeit schneller erscheint. Zudem zeigte sich, dass die Qualität sozialer Beziehungen diesen Eindruck ebenfalls verstärkt. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass sich die Zeit langsamer anfühlen kann, wenn man sich isoliert oder sozial weniger eingebunden fühlt.
Schließlich verstärkten auch eine größere Aufmerksamkeit auf das Vergehen der Zeit sowie häufigere Gedächtnisfehler in Bezug auf zukünftige Aufgaben das Gefühl, dass die Zeit schneller vergeht. Die Autor:innen vergleichen diesen Befund mit dem Phänomen, dass die Zeit bei einem starken Fokus auf ein bevorstehendes Ereignis, etwa eine nahende Deadline, plötzlich zu rasen scheint. Darüber hinaus kann Weihnachten für viele Menschen Anlass sein, um zum Jahresende Bilanz zu ziehen und über die bislang nicht umgesetzten Pläne des vergangenen Jahres nachzudenken. Diese Gedanken könnten wiederum den Eindruck stärken, dass die Zeit besonders schnell vergeht und man nicht hinterherkommt.Was können wir aus der Studie schlussfolgern? Die Autor:innen haben mehrere Ansätze identifiziert, die den Eindruck beschleunigter Zeit erklären können. Allerdings sind diese Effekte relativ gering, was darauf hindeutet, dass auch viele andere Faktoren eine Rolle spielen. So könnte zum Beispiel die Vermarktung von Weihnachten, die immer früher mit Weihnachtsartikeln in den Supermarktregalen beginnt, das Zeitgefühl beeinflussen. Dennoch zeigen die Ergebnisse, dass der Eindruck, Weihnachten komme jedes Jahr früher, nicht nur eine Floskel ist, sondern auf individuellen psychologischen Erfahrungen beruht. Wie genau diese Erfahrungen wirken, bleibt aber noch unklar.
Übrigens ist der Eindruck beschleunigter Zeit nicht nur auf Weihnachten beschränkt. In der Studie wurden auch Menschen im Irak zu ihrem Erleben des Ramadans befragt. Der Ramadan ist ein wichtiger islamischer Fastenmonat, der wie Weihnachten im Christentum ein jährliches Fest zur Besinnung und spirituellen Erneuerung darstellt. Hier zeigte sich ein vergleichbares Bild wie bei den britischen Befragten: 70 % stimmten der Aussage zu, dass Ramadan jedes Jahr schneller komme. Auch in diesem Fall waren ähnliche Faktoren ausschlaggebend.
Literaturverzeichnis
Ogden, R., Alatrany, S. S. J., Flaiyah, A. M., ALi Sayyid ALdrraji, H., Musa, H., Alatrany, A. S. S., & Al-Jumeily, D. (2024). Distortions to the passage of time for annual events: Exploring why Christmas and Ramadan feel like they come around more quickly each year. PLOS one, 19(7), e0304660. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0304660
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